Brautkleider sind teuer. Eine unangenehmen Wahrheit. Wer ein perfekt sitzendes Traumkleid sucht, ist schnell mit einem 1000 Euro-Schein dabei. Uff, das schmerzt.
Da schauen viele hilfesuchend ins Internet, beginnen Preise zu vergleichen und landen auf Seiten, die Traumkleider schon unter 100 Euro anbieten. Die Bilder sind die selben wie bei den Designern. Wenn auch in schlechtem Deutsch, so versprechen die Anbieter doch alles zu tun, damit Braut so bequem und entspannt wie möglich zu ihrem Kleid kommt. Verführerisch. Zugegeben.
Bei der Internet-Recherche treffe ich außerdem auf ungezählte Foren, in denen Bräute sich über ihre Erfahrungen mit Bestellungen im Internet austauschen. Über 200 Einträge zählen manche dieser Threads – die meisten berichten von zügiger Kommunikation und Lieferungen, die die Erwartungen der Kundinnen erfüllen. Nicht immer Top aber immerhin gut genug.
Eine Forums-Teilnehmerin ließ keinen Zweifel an ihrer Meinung: „Ich war einmal im Brautgeschäft. Dort soll ich 1500€ zahlen? Online bekomme ich die schönsten Kleider für unter 250€. Da stören mich auch Zoll, Versand und Änderungen nicht.“
Auf den Seiten findet man tatsächlich Kleider großer Brautkleid-Marken wie Demitrios oder Aire Barcelona. Dargestellt werden sie in der Regel mit den Bildern der Hersteller. So als sei es das Original-Kleid. Seit kurzem tauchen auch die aktuellen Entwürfe deutscher Designer auf: Lindegger, Küss die Braut, Noni, Ambacher Vidic oder Soeur Coeur. Selbst ganz kleine Labels wie Calesco Couture in Dresden sind zu finden.
Die Erlaubnis, die Bilder auf ihren Seiten zu verwenden oder die Kleider nachzuschneidern, haben die Internetanbieter in der Regel nicht. Hinter den Seiten verstecken sich meist chinesische Schneidereien, die Entwürfe und Bilder der Designer mutmaßlich unerlaubt nutzen, um Kopien herzustellen und zu vertrieben.
Den Schaden haben besonders kleine Labels. Nicht nur weil Kundinnen wegbleiben. Silvia Klos vom Dresdener Label Calesco Couture berichtet: „Ich hatte Mädels im Laden, die mit dem Ausdruck eines Kleides zu mir kamen und sich gewundert haben, dass eine Anfertigung bei mir mindestens das 10-fache kostet.“
Durch die billigen Angebote aus China geht das Bewusstsein für die Herstellungskosten eines Kleides in Deutschland verloren. Eleni Vidic und Jochen Ambacher vom Hamburger Label Ambacher Vidic: “ es wird kaum hinterfragen, wie ein Kleid für diesen Preis verkauft und hergestellt wird. Heutzutage ist es selbstverständlich, dass man überall für sehr wenig Geld ein Kleidungsstück bekommt.“
Tatsächlich wird in den einschlägigen Foren die Frage, wie die hohe Preisdifferenz entsteht, nicht diskutiert. Mit den Herstellungskosten in China können deutsche Hersteller nicht mithalten. Silvia Klos von Calesco Couture erklärt: „Die chinesischen Schneidereien bekommen schon die Rohstoffe um ein Vielfaches preiswerter. Kein Transport, keine Zwischenhändler, Seiden kommen vorwiegend aus China. Den Rest machen die niedrigen Löhne dort aus. Ich stelle alles in Dresden her. Damit unterstützt man ja auch die regionale Wirtschaft.“
Ein zweiter Faktor ist die Arbeit der Designer an sich. „Es steckt viel Arbeit und Zeit in der Entwicklung einer Kollektion. Damit verbunden ist natürlich ein geschlossenes Gesamtkonzept für die Marke ambacherVIDIC, an dem täglich gearbeitet wird“, erklärt Eleni Vidic. Unterstützt wird das durch Fotoshootings und Pressearbeit. „Ein professionelles Fotoshooting zum Beispiel verursacht sehr hohe Kosten. Wenn man dann seine Bilder auf einer chinesischen Seite entdeckt, ist das sehr frustrierend“, berichtet sie weiter.
Gegen den Wettbewerb aus China vorzugehen ist schwierig für deutsche Designer. Besonders viel Erfahrung haben damit Johanne Bossmann und Judith Müller vom Kölner Lable Noni. Ihre Entwürfe tauchen bereits seit einiger Zeit zu Niedrigpreisen im Netz auf. „Herauszufinden, wer hinter den Seiten steckt, ist sehr schwierig“, wissen sie. Denn ein Impressum haben die Seiten meist nicht. Auch über den Domaininhaber führt die Recherche in Sackgassen: “ Meist handelt es sich um Stellvertreter-Firmen in USA und Panama, die im Namen Ihrer anonymen Kunden die Domain registrieren“, weiß Johanne Bossmann.
Die Server abstellen zu lassen, bringt außerdem kaum Erfolg, denn innerhalb weniger Stunde ist die Seite wieder online – auf einem anderen Server. „Ich vermute das die Server die Daten nur weiterreichen. Es sieht so aus als würde er beispielsweise in Schweden stehen, die Daten kommen allerdings in Wirklichkeit aus Russland oder China, das kriegt man nicht raus.“
Das einzige Mittel: Die Domain abschalten zu lassen. Das aber erfordert ein aufwändiges Verfahren. „Weil es derzeit Seiten mit deutscher Domain-Kennung und ohne Impressum gibt, habe ich sie kürzlich bei der Polizei angezeigt. Immerhin hat sich ein Kripobeamter bei uns gemeldet und wollte weitere Infos“ berichtet Johanne Bossmann von Noni. Andere Designer folgten ihrem Beispiel und erstatten Anzeigen. Zum Beispiel Eleni Vidic und Jochen Ambacher vom Hamburger Lable Ambacher Vidic: „Es gibt eine spezielle Abteilung, die sich um Internet-Betrug kümmert und international arbeitet.“ Ein Erfolg der internationalen Zusammenarbeit: Gemeinsam mit dem US-Heimatschutzministerium ist Euro-Pol ein großer Coup gegen Produktpiraterie gelungen. Sie schalteten insgesamt 680 Domains ab, die gefälschte Produkte verkauften.
Super Artikel Nicola! Das musste auch mal raus, echte Handarbeit hat ihren Preis – völlig zurecht.
LG, Katja
Ein kleiner Nachtrag: Auch wenn die chinesischen Schneidereien die Stoffe um ein vielfaches günstiger bekommen- sie verwenden ja gar keine Stoffe in der Qualität wie wir! Sie nehmen oft minderwertige Polystoffe, die sie für cent- Beträge kaufen können, vergleichbar mit dem Faschingssatin aus der Karstadt- Abteilung (in Deutschland für 3 Euro zu haben). Im Gegensatz dazu verwenden wir reine Seide, natürlich ist diese um ein vielfaches teurer.